Schon vor über 200 Jahren ließen sich Künstler und Gaukler auf dem Spielbudenplatz nieder. Sie errichteten dort ihre hölzernen Spielbuden, die bis heute dem Spielbudenplatz seinen Namen geben. Im Laufe der Jahre haben sich der Platz und im Besonderen die umliegenden Häuser immer wieder verändert. Showpaläste kamen und gingen, Besitzer wechselten. Theater, Kinos und viele weitere Etablissements wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und wieder aufgebaut. Hier kannst du viele interessante Details erfahren und ein wenig in die Geschichte des Spielbudenplatzes eintauchen. Einen chronologischen Überblick findest du hier.

 

Zwischen Hamburg und Dänemark

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde St. Pauli zur Heimat von Lotsen und Hafenarbeitern mit ihren Familien. Nachdem die Torsperre im Jahr 1860 aufgehoben worden war, entdeckten die Hamburger Bürger das Areal als Freizeitoase. Hier, auf dem Grenzterritorium zwischen Hamburg und Dänemark, war dank der Gewerbefreiheit manches möglich, was in der Stadt undenkbar erschien: Zwischen Davidstraße und Helgoländer Allee weitet sich der östliche Abschnitt der Reeperbahn nach Süden hin zum Spielbudenplatz aus, der Schaustellern aller Art u. a. zur Vorführung von Puppenspielen diente. In Holzbuden, Zelten und unter freiem Himmel wurde dem größtenteils aus dem Millerntor herbeiströmenden Publikum allerlei Kleinkunst dargeboten. Dieses unregelmäßige Treiben erhielt einen festeren Rahmen, als die Holzbuden ab 1840 einer Randbebauung des Platzes mit soliden Gewerbebauten weichen mussten. Nur Schausteller, die sich auf dem Spielbudenplatz als finanziell erfolgreich erwiesen hatten, war es möglich als Mieter oder Besitzer diese mit Sonderrechten für den Vergnügungsbetrieb ausgestatteten Bauten zu beziehen. Statt Marionetten traten auf den größeren Bühnen dieser Häuser jetzt Tänzerinnen und Soubretten* auf.

*Eine Soubrette ist die im 17. und 18. Jahrhundert sowohl am Sprechtheater, als auch in der Oper sehr populär gewordene Charge der Kammerzofe. Sie ist meist munter, verschmitzt oder komisch angelegt und steht im Gegensatz zur Primadonna, die eine Person von höherem gesellschaftlichem Rang spielt.

Holzbuden am Spielbudenplatz um 1800, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum
Holzbuden am Spielbudenplatz um 1800, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum

 

Erste besondere Gebäude: Trichter und Theater

Im Jahre 1805 wurde am östlichen Ende des Spielbudenplatzes der Trichter gebaut. Ursprünglich handelte es sich dabei um einen hölzernen Torpavillon in der Nähe des Millerntors. Dort konnten Hamburger, die das Tor passierten, eine Erfrischung zu sich nehmen.

Der Trichter um 1930, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum
Der Trichter um 1930, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum

Aus der Erstbebauung am Spielbudenplatz ist bis heute nur noch ein Haus erhalten. 1848 eröffnet am Spielbudenplatz 30 das Urania Theater mit 1300 Sitzplätzen. Das Ziel des Urania Theaters war es, eine würdige Stätte der Kunst inmitten eines niveaulosen Amüsierbetriebs zu schaffen. Das Haus beherbergt heute das St. Pauli Theater und steht unter Denkmalschutz.

 

Hagenbecks Seehunde und das Panoptikum

Auch Hagenbecks Erfolgsgeschichte begann am Spielbudenplatz. Am 6. März 1848 stellte der Fischhändler Gottfried Claes Carl Hagenbeck in Holzbottichen sechs Seehunde aus, die seinen Lieferanten zufällig in die Netze geraten waren. Das war das Gründungsdatum der Firma Hagenbeck, die später als Tierhandlung, Zirkus- und Tierparkunternehmen berühmt wurde. Carl Hagenbeck, der Sohn des Fischhändlers erwarb 1863 die Parzelle Spielbudenplatz 19, um die Tiere unterzubringen, die er aus vielen Ländern bezog. Diese exotische „Handlungsmenagerie“ war – wie der Name erkennen lässt – eine Tierhandlung, in der sich das zahlende Publikum die exotischen Kreaturen aber auch ansehen konnte.

Im Jahre 1879 öffnete am Spielbudenplatz 16 erstmals das Panoptikum seine Pforten. Besucher können sich dort in Wachs verewigte, prominente Persönlichkeiten anschauen. Es wurde im 2. Weltkrieg zerstört und Ende der fünfziger Jahre am alten Standort wieder aufgebaut. 2007 wurde es restauriert. Der Stil der fünfziger Jahre wurde beibehalten.

Das Panoptikum um 1890, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum
Das Panoptikum um 1890, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum

 

Große Bierhallen und größte Bars

Etwas weiter westlich, am Spielbudenplatz 27/28, lockte die 1890 eröffnete „Große Bierhalle“ in ihre Säle, während in der ersten Etage „Hamburg’s und Norddeutschland’s Größter Billard-Salon“ wartete. Allerdings reichte der Bierkonsum nicht aus und im Jahre 1904 eröffnete dort das „St. Pauli Tivoli Konzerthaus“. Heute befindet sich hier das von Corny Littmann und Norbert Aust geführte Theater „Schmidt’s TIVOLI“.

Wer heutzutage über den Spielbudenplatz spaziert, dem wird zwischen dem „Schmidt’s TIVOLI“ und dem Schmidt Theater eine Häuserfassade mit einem unbebauten Grundstück dahinter auffallen. Erstmals wurde dort 1886 das Konzerthaus „Die Neue Welt“ unter der Direktion der erfolgreichen Sängerin Emma Thiele-Lundershausen eröffnet. Nach der Schließung residierte hier u. a. die als größte Bar Deutschands bekannte „American-Bar“, bevor hier im Jahre 1934 das „Wellenbad St. Pauli“ errichtet wurde.

Die „American-Bar“ um 1900, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum
Die „American-Bar“ um 1900, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum

 

Der Zweite Weltkrieg

Die Jahre von 1940 bis 1945 waren vom Zweiten Weltkrieg geprägt. Während der alliierten Luftangriffe auf Hamburg wurden einige Stadtteile sowie der Hafen und zahlreiche Industrieanlagen weitestgehend zerstört. Auch St. Pauli blieb davon nicht verschont. Es wurden eine Anzahl an Gebäuden durch Brand- und Sprengbomben beschädigt, einige zu Totalschäden. 1940/42 wurde unter dem Spielbudenplatz ein Bunker gebaut, der Sitzplätze für 5.000 Menschen bot. Zeitweilig suchten 20.000 Menschen dort Schutz. Heute dient der Bunker als Tiefgarage, in der 430 Autos Platz finden.

 

Aufbau und Abriss der Esso-Tankstelle

Nach Ende des Krieges im Jahr 1949, eröffnete mitten auf dem Spielbudenplatz die wohl bekannteste Tankstelle der Welt: Die Esso-Tankstelle, auch „Marktplatz von St. Pauli“, „Kiez-Kult-Tanke“ oder einfach „die Tanke“. Für die St. Paulianer war sie Nahversorger und Klöntreff, für die Nachtschwärmer Start und Endpunkt einer Kieztour und für Autofahrer Service Center. Am 15. Dezember 2013 wurden die Esso-Häuser, zu deren Gebäudekomplex auch die Esso-Tankstelle gehörte, wegen Einsturzgefahr evakuiert und die Tankstelle geschlossen. Am 12. Februar 2014 begann der Abriss.

Spielbudenplatz mit neuem Operettenhaus 1965/66
Die ESSO Tankstelle auf dem Spielbudenplatz um 1970, Quelle: Panfoto, St. Pauli Museum

 

Die Pavillionstadt

Ende der sechziger Jahre wurden auf dem Spielbudenplatz ein- bis zweigeschossige Pavillons errichtet. Dort ließen sich kleine Gaststätten, Souvenirgeschäfte und unterschiedliche Freizeitclubs nieder. Allerdings kam es zunehmend zu Hygiene- und Sicherheitsproblemen, weshalb viele Pavillons nicht mehr vermietet werden konnten. Ende der achtziger Jahre wurde die „Pavillonstadt“ abgerissen.

 

Neugestaltung

Der Spielbudenplatz blieb vorerst ungenutzt. Aufgrund der lange Zeit brach liegenden Fläche, kam es 1997 zu einem Bürgerwettbewerb der Stadtentwicklungsbehörde zur Neugestaltung des Spielbudenplatzes. Verschiedene Architekten und Künstler reichten Konzepte zur Gestaltung des neuen Platzes ein, es wurde allerdings keines davon umgesetzt. 2004 fand ein neuer Wettbewerb statt. Da die Idee des Gewinners bei der Baubehörde jedoch abgelehnt wurde, durften letztendlich die im Wettbewerb drittplatzierten Architektur-Büros Lützow 7 und Spengler/Wiescholek ihr Konzept im Jahre 2006 realisieren. 5,9 Mio. Euro kostete die Neugestaltung des Platzes. So entstanden unter anderem an den Platzenden zwei fahrbare, 10 Meter hohe Bühnen mit LED-Elementen.

 

Heute

Seit der Neugestaltung wird der Platz von einer privaten Betreibergesellschaft bespielt, die sich aus den Anliegern des Spielbudenplatzes zusammensetzt. In den letzten Jahren wurden die 4830 qm des Platzes erfolgreich genutzt: Wiederkehrende Veranstaltungen, wie der St. Pauli Nachtmarkt, das Food Truck FestivalSanta Pauli – Hamburgs geilster Weihnachtsmarkt, das Spielbudenfestivalder Biergarten mit Livemusik oder der Anwohnerflohmarkt, haben sich auf dem Platz etabliert. Regelmäßig finden kleine und große Events statt. Vom Kunstfestival über Public Viewing zur Fußball WM oder ein Winzerfest. Auf dem Spielbudenplatz findet man ganzjährig ein interessantes und vielfältiges Programm.

Die Betreibergesellschaft setzt sich aus folgenden Anliegern des Spielbudenplatzes zusammen:
Schmidt TheaterSchmidt’s TIVOLISt. Pauli TheaterSt. Pauli Bar, die Alte Liebe, SommersalonHörsaalStage EntertainmentPanoptikumReeperbahn Garagen

Fahrbare Bühne auf dem Spielbudenplatz heute
Fahrbare Bühne auf dem Spielbudenplatz heute